Hätte Aristoteles gekocht, hätte er mehr geschrieben.
(Juana Ines de la Cruz)

Montag, 3. Januar 2011

Grundlagen der mexikanischen Küche (7): Vom Trinken zum Essen



Weil mexikanisches Essen entweder höllisch scharf sei oder auch schwer, weil mit Käse überbacken, müsse sich der Mensch ausgiebigst dem Bier und dem Tequila hingeben, um die Verdauung zu unterstützen. Das ist zwar eine verbreitete Vorstellung zum mexikanischen Trinkgebaren - aber eine Schnapsidee.

Vieles ist im Zusammenhang mit den mexikanischen Trinkgewohnheiten im Laufe der Geschichte falsch verstanden worden. Am bekanntesten ist das Missverständnis mit dem Corona-Bier, das in unseren Breitengraden auch heute noch mit einem Schnitz Zitrone serviert wird. Die Amerikaner gehen manchmal sogar so weit, dass sie ein Stück Zitrone durch den engen Flaschenhals pressen. Zu dieser Unsitte kam es, weil das Corona vor vielen Jahren in Mexiko tatsächlich mit einer Limone serviert wurde. Dies, weil damals die Flaschendeckel rosteten und man diesen Rost am einfachsten mit dem Saft der Limonen entfernen konnte.

Noch tiefer verwurzelt ist der Irrglaube mit dem Wurm in der Mezcal-Flasche. Dieser Wurm ist zunächst einmal gar kein Wurm, sondern eine Raupe. Und in einer anständigen Flasche Mezcal, wie sie der Mexikaner trinkt, wird sich nie eine Raupe befinden. Das bleibt dem Schund, den man den Touristen vorsetzt, vorbehalten.



Bis zum 19. Jahrhundert war Mezcal das liebste Getränk der mexikanischen Oberschicht. Die Reichen liebten den Saft der Agave, verehrten die besten Brenner und zahlten ihnen hohe Löhne, Doch dann kam der Tequila, eine Abwandlung des Mezcals aus der Region Jalisco, mehr und mehr auf, und der Abstieg des Mezcals begann. Verstärkt wurde der Niedergang durch den Import anderer Destillate aus aller Welt. Am Ende dieser Entwicklung war der Mezcal nur noch ein billiger, im Rachen brennender Schnaps, dem ein berühmtes Sprichwort wenig Ehre antat: «Um dich zu betrinken, nimm Tequila - um zu vergessen, trink Mezcal.»

Die Herstellung von Mezcal ist schwierig und zeitraubend. Die Agave, von den Mexikanern Mangey genannt, gehört zur Aloe-Familie und braucht zwölf Jahre, bis sie reif ist. Dann produziert sie eine riesige Blume. Deren Blüte wird sechs Monate vor der Ernte abgeschnitten, damit der ganze Saft in der Wurzel bleibt. Diese Wurzel, die bis zu 60 Kilo schwer werden kann, wird zuerst drei Tage in einem grossen Ofen geröstet und danach für einige Tage an die Sonne gelegt. Der Mezcalero weiss dann genau, wann die Agave in der Mühle zu einem Fruchtfleischmus verarbeitet werden kann. Dies geschieht auch heute noch, indem ein Maultier einen Mühlstein über die ausgebreiteten Agavenwurzeln zerrt. Das Mus muss nun zwei Wochen lang fermentieren, bevor es in Kupferbehältern in zwei Schritten destilliert wird.

Die edelsten Destillate lassen sich durchaus mit einem guten Cognac vergleichen und kosten denn auch entsprechend viel. Im Gegensatz zum Mezcal wird der doch profanere Tequila nur aus einer einzigen Agavenart gewonnen, der blauen Agave Tequilana Weber (von der anscheinend nicht mehr genügend nachwächst).

Den gewöhnlichen weissen Tequila wird man hauptsächlich in Mixgetränken - selbstverständlich für die berühmte und zu Recht auch berüchtigte Margarita - verwenden. Die dunkleren Varianten, die bis zu acht Jahre gelagert wurden, trinkt man pur. Und pur heisst: ohne etwas dazu. Das eigenartige Gebaren mit dem Salz auf dem Handrücken und der Zitrone in der anderen Hand wird man in Mexiko nur bei Touristen sehen. (Aber auf den Tequila werden wir dann noch genauer eingehen.)

Aus der Agave werden ausserdem auch noch andere Getränke gewonnen wie die Baconara im Teilstaat Sonora, Charanda in Michoacan und Comiteco in Chiapas. Am bekanntesten in aber sicher Pulque, ein weissliches, ziemlich übel riechendes Getränk, das ausser den Mexikanern niemand auf der Welt zu schätzen scheint. Der bekannteste Pulque kommt aus der Gegend von Apam. Der unglückliche Kaiser Maximilian liebte dieses Getränk und versetzte es gern mit Champagner zu einer Art aztekischem Kir Royal.

Zwar dehnt sich Mexiko über 14 Klimazonen aus, doch darunter ist keine einzige, die dem Anbau von Wein förderlich wäre. Trotzdem gibt es natürlich auch mexikanischen Wein. Darauf kann man freilich gut verzichten. Das wussten wohl schon die spanischen Konquistadoren, denn sie hatten die Anpflanzung von Reben in ihren Kolonien während Jahrhunderten verboten. In Guerrero gibt es trotzdem einen ganz guten Traubensaft, genannt Sangre de Baco, Blut des Bacchus. Das heisst nun aber nicht, dass man zu einem guten mexikanischen Essen keinen Wein trinken kann - ein junger Pinot noir kann mit seiner Fruchtigkeit ein guter Begleiter sein.

Am besten verbleibt man aber schon bei den einheimischen Trinkgewohnheiten. In den bergigen Gegenden von Chihuahua und Nyarit wird ein fermentiertes Maisgetränk gereicht, das mit rohem Zuckergemischt wird und Teshuin heisst. Jalisco kennt neben dem Tequila auch noch Tepache, eine Art Ananassaft. An der Küste in Colima und Guerrero trinkt man gern die aus Kokosnuss gewonnene Tuba. Oder man hält es doch ganz klassisch mit dem Bier - Carta Blanca oder XX oder Corona. Letzteres unbedingt ohne Limone.

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